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Das Bild vergess' ich nie. Es war an den Ufern des herrlichen Gardasees im Städtchen Riva. Ich hatte mich im Hotel al Sole d'Oro eingemietet mit der Absicht, hier mehrere Monate - vom Frühherbst in den Winter hinein - zu verbringen. Als ich bald nach meiner Ankunft den kleinen, von den Wellen des Sees umspülten Hotelgarten aufsuchte, war er fast leer, denn die Gäste hatten schon abgespeist und sich zerstreut. Nur ein Tischchen, in dessen Nähe ich mich niederließ, war noch besetzt. Es saß daran eine zarte blonde Frau mit einem Knaben von etwa sechs Jahren. Beide fesselten sogleich meinen Blick. Erschien ihr noch jugendlich schones Antlitz wie verklärt von einem stillen Schmerze, und lag in jeder ihrer Bewegungen ein wundersamer Adel, so fiel mir daneben die Unbehilflichkeit des Knaben auf; er drängte sich tolpisch an seine Begleiterin, und sie speiste ihn wie ein kleines Kind. Als ich näher zusah, gewahrte ich, daß er gelähmt sein mußte, und sein lockenumwalltes Gesicht, das ganz hübsch war, wies zwei trübe, seelenlose Augen. Unablässig mit ihm beschäftigt, wandte sie keinen Blick von ihm. Da er jetzt genug gegessen hatte, drückte sie leise sein Haupt an ihre Brust, damit er ruhe. So zärtlich liebevoll konnte nur eine Mutter sein, und die Verwandtschaft zwischen beiden offenbarte schon die große Ähnlichkeit in ihren Zügen. Ich war von dem Anblick mächtig gebannt, wie die Mutter mit gesenktem Auge dasaß, ihr schlummerndes Kind in den Armen, während durch das vom Lufthauch leicht bewegte Blätterdach, das sie überwolbte, manchmal ein blitzendes Licht auf sie fiel. Und dazu diese träumerische Stille und im Hintergrunde des Bildes der in der Mittagsglut leis zitternde Wasserspiegel des Sees! - Nach einer Weile regte sich der Knabe wieder, und sie brach jetzt mit ihm auf. Da sah ich auch, daß er hinkte; sie mußte ihn mühsam mit sich fortschleppen.
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